Das Plakat am Baum [1]

Von der Behörde ein Bescheid,
er bringt oft Freude, manchmal Leid,
in jedem Fall ist der hier echt,
und belangt Euch sehr zu Recht.

Was nun kommt Euch ganz zur Beehrung,
nennt man Rechtsmittelbelehrung:
Hat der Bescheid nicht Euren Segen,
könnt Ihr Widerspruch einlegen,
bei der obigen Adresse,
werktags (morgens nach der Messe?)
binnen eines Monats Dauer,
länger geht’s nicht, seid nicht sauer.
Dieselbige genannte Frist,
bestens auch gewahret ist,
wenn Ihr schnell nach Darmstadt fahrt,
den Widerspruch dort offenbart,
in der Wilhelminenstraße
dem Präsidium zum Fraße
dessen Chef man trefflich kennt,
als Regierungspräsident.

Ihr planet eine Pfarrfastnacht,
in der man feiert und auch lacht,
dafür ward ein Plakat erfunden
und damit auch ein Baum geschunden,
ein Baum in Schmittens bestem Norden,
den überfielen Eure Horden.

Ein Baum am Ortsrand lebt riskant,
aufgrund so mancher bösen Taten,
denn jedem ist’s ja wohl bekannt:
An schräge Menschen kann geraten,
wer offen ist für seine Welt,
wer ohne Anspruch auf Entgelt
der Allgemeinheit Wohl vermehrt,
und gegen Übles sich nicht wehrt.

Als Baum wird man da ausgenutzt,
umgefahren, weggestutzt,
kurzum, es gibt so manchen Zoff,
wer denkt da schon an Sauerstoff.

Plakat am Baum, das macht man nicht,
das weiß selbst jeder Bösewicht,
der sonst gar wird als Umweltferkel,
zu Recht verfolgt vom Nimsch bis Merkel.

Muss man denn von Amtes wegen,
täglich neuen Unmut hegen,
weil sogenannter Narren Hände,
zwar nicht verschmutzten Tisch und Wände,
so doch einen Baum vernagelt,
als hätt’ es ins Gehirn gehagelt.
Ein Advokat könnt’ sich dran reiben,
die UNB[2] tät’ übertreiben,
das, was Nägel dort genannt,
als Reißzwecke sei nur bekannt,
die, von Oma bis zum Kinde,
wüsst’ man, nicht schädlich für die Rinde,
dem Baum doch nicht zu nahe tritt,
Behörde, kriegst Du das nicht mit!?
Als Antwort hört ganz pädagogisch,
vielleicht wird’s auch noch ökologisch,
dass auch für das, was klein nur ist,
gilt: „Auch Kleinvieh macht viel Mist“.

Wer am Baum Plakate sieht,
egal, wie sie dran angebracht,
mit der Idee von hinnen flieht,
dass am Baum gut’ Werbung lacht
und zuhause angekommen,
den nächsten Baum zur Brust genommen,
als Litfasssäule schnell missbraucht,
für das, was man so säuft und raucht.
Da kann sich, wie man nicht sollt’ werben,
als Idee fatal vererben.

Dem Wand’rer schlägt es ins Gesicht,
„Plakat am Baum, das mag ich nicht!“,
nackt stand sie da, die Kreatur,
jetzt Litfasssäule, welch’ Natur,
spukte jenen durch den Geist,
die man Baumfrevler auch heißt?

Ein Plakat hat Tradition,
das wusste auch Herr Luther schon,
doch Ihr wisst, dass Protestanten,
auch andere Methoden kannten.

So schlug Luther an die Tür,
und brauchte keinen Baum dafür,
was ihm so am Herzen lag,
Ärger gab’s am selben Tag,

denn zugegeben, wenig später,
sprach die Verwaltung: „Du Verräter,
Deine fünfundneunzig Thesen,
wär’n sie bloß am Baum gewesen,
im Wald hätt’ sie kaum wer gelesen“, 
die Historie wär’ genesen.

Inzwischen hat man das gerettet,
und in Gesetze eingebettet,
dass es ein Eingriff in Natur
und Landschaft ist, wenn man auch nur,
nachhaltig oder doch erheblich,
erfolgreich (hier war’s nicht vergeblich)
den Baum ändert in der Gestalt,
mit viel Wort- und Plakatgewalt.

Alternative ist gefragt,
eine solche, die dem Baum behagt:

Da gibt es Fenster, hübsch und fein,
sie könnten von dem Bäcker sein,
der spricht „Ihr Leute, gebt fein Acht,
was der Bäcker für Euch macht,
was sich in seinem Fenster drängt,
zur Schau sich Eure Blicke fängt,
und dazu ist, ganz ernst genommen,
ein Karnevalsplakat gekommen,
ins Fenster freundlich reingeklebt,
so weiß man: „Fassenacht, die lebt“.

Ganz anders wär’, nicht zu beneiden,
würd’ man den Baum gleich mit verkleiden,
würd’ das Problem damit gemeistert,
dass man ihn nur gut verkleistert,
voll Papier, wirksam bedruckt,
bis er, wie einer Mumie gleich,
(wird da nicht manch’ Gewissen weich?)
am letzten Ast auch nicht mehr zuckt,
verkleidet dasteht, dann zerlegt
bald in Rauch hinweggefegt,
qualmend noch, luftig, behende,
wollt Ihr diese Lebenswende?

Unterm Plakat die Tierchen tanzen,
die Löcher tief im Holze stanzen,
sie sprechen: „Was die Kirche macht,
befreit von jeglichem Verdacht,
es könnte schlecht sein, was sie tut,
und wenn sie wirbt aus Übermut
am Baum, so ist sie doch nicht arm,
hält Käfer und die Würmer warm“.

So seid Ihr Narren weit und breit,
von Bußgeld und Gebühr befreit;

natürlich haben wir geblecht,
dem RMV[3] ins Maul geschoben,
zwölf Mark achtzig, die war’n echt
und Euch als Auslage erhoben.

So zahlt schön brav, wie sich’s gehört,
wenn man der Bäume Frieden stört,
die zwölf Mark achtzig an den Kreis,
der damit umzugehen weiß.

Die Knete muss uns auch erreichen,
vergesst drum nicht das Kassenzeichen,
die Last, oh Hoch- und Niederwürden,
müssen wir Euch schon aufbürden.

Tierischem Ernst nicht zugetan,
haben wir mit Amtsgebahren,
das Plakat vom Baum genommen,
denn wer will sonst den Baum bewahren,
abseits des Plakates Wahn;
dem Baum ist das recht gut bekommen.
Pflanzlichem Ernst die Ehre geben,
muss man hier. Was ist’s ein Glück,
hätte ein Baum ein tierisch Leben,
reißzweckte er vielleicht zurück.

Es ist eine der größten Sünden,
der Verwaltung, gut zu wissen,
auch wenn es viele nicht vermissen,
Bescheide nur schlecht zu begründen.

Diese Begründung nehmt zu Herzen,
sie ist dem Umstand angepasst,
dass sie zu Karneval verfasst.
Möge Euch das Zwerchfell schmerzen;

holt den Humor Euch aus der Truhe,
doch lasst die Bäume nun in Ruhe,
sonst gibt es Stunk und nicht zum Truge
im Auftrag,
Euer Tilman Kluge.

KREISVERWALTUNG HOCHTAUNUSKREIS,
Amt für Umwelt und Naturschutz
Bescheid v. 4.2.1996

 


[1] Verfügung nach Maßgabe von § 30a Abs. 1 des Hess. Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege vom 19.9.1980 (HENatG, GVBl.  1981 I S. 309), zuletzt geändert durch Gesetz v. 19.12.1994 (GVBl. I S.775), betr. ungenehmigter Eingriff in Natur und Landschaft nach Maßgabe v. § 6a, § 5 Abs. 1 und 2 des HENatG
hier: Erstattung der Auslagen (§ 11 HVwKostG, GVBl. I 1972 S.235)
Hinweis: Aufgrund § 3 Abs.1 Nr.2 HVwKostG besteht Gebührenfreiheit
[2] Untere Naturschutzbehörde
[3] Rhein-Main-Verkehrsverbund